Aufhebung der hessischen Tempolimits

24. April 2007

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sagt Ende Juli 2000 den Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Deutschlands Autobahnen mit folgendem prägnanten Satz den Kampf an: „Die Beschilderung muss der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit angepasst werden.“ Das ist eine aparte Argumentation aus dem Mund eines Juristen! Koch kündigt weiter an, bis 2005 in Hessen ein Drittel aller Tempolimits aufheben zu wollen, und fordert: „Tempolimits müssen nicht nur in Hessen, sondern in ganz Deutschland aufgehoben werden, wenn es keine sachliche Grundlage dafür gibt.“ Gleichzeitig warnt er Rot-Grün vor „politischen Totschlagargumenten“. Der Begriff „politisches Totschlagargument“ entbehrt angesichts einer bewusst in Kauf genommenen Steigerung der Unfallzahlen staatlicherseits nicht eines gewissen Zynismus.

Der hessische Verkehrsminister Dieter Posch (FDP) betont: „Autobahnen werden für den schnellen und weiträumigen Verkehr gebaut und sollen dieser Funktion dienen.“ Er spricht von einem „Vertrauensvorschuss für Verkehrsteilnehmer“ und davon, ein Zeichen für „mehr Freiheit und Eigenverantwortung“ zu setzen.
Experten befürchten dadurch eine Unfallzunahme um bis zu 20 Prozent. Zu den bisherigen rund 4800 jährlichen hessischen Autobahnunfällen kämen nach dieser Rechnung noch einmal 960 hinzu, statt der 93 Toten im Jahr 1999 wären entsprechend mehr Opfer zu beklagen. Posch und Koch relativieren dies: Erst wenn die Unfallzahlen um mehr als ein Fünftel steigen würden, könne man von einer „erheblichen Überschreitung der Unfallhäufigkeit“ sprechen. Der Chef der hessischen Polizeigewerkschaft (GdP), Jörg C. Stein, empört sich: „Jedem Stammtischbruder würde ich bei so einem unglaublichen Vorschlag über den Mund fahren. Und das sind sogar unsere gewählten Repräsentanten, die so reden.“

Anfang Januar 2004 meldet dann der neue hessische Verkehrsminister Alois Rhiel (CDU), dass die Zahl der Unfälle zwischen Krifteler Dreieck und Wiesbadener Kreuz vom Jahr 2000 auf 2003 um 53 Prozent gestiegen sei; auf dem Teilstück, wo das Tempolimit von 100 auf 120 km/h angehoben wurde, gab es 40 Prozent mehr Unfälle.

Hinterlassen Sie einen Kommentar:

Sie müssen eingeloggt sein, um zu kommentieren.

 

google